Dieses Handout verschafft einen Überblick über typische Problemkreise von sog. Internen Erhebungen im Zusammenhang mit Befragungen eigener Mitarbeiter. Das Handout besteht aus zwei Teilen:
Der erste Teil ist eine Zusammenstellung häufig in der Praxis anzutreffender Fragen in Bezug auf Interne Erhebungen. Die Zusammenstellung erfolgt im FAQ-Stil, damit der Anwender schnell die für ihn wesentlichen Fragen ausfindig machen kann. Am Anfang des FAQs findet sich eine Auflistung aller Fragen. Die numerische Anordnung der Fragen erleichtert das Auffinden der jeweils interessierenden Fragen.
Der zweite Teil ist eine Checkliste, welche die wesentlichen Inhalte des FAQs gestrafft und in Frageform wiedergibt. Die Checkliste soll den Leser eigenen Handlungsbedarf erkennen und ausloten lassen. Sie sollte allerdings nicht als erschöpfend beziehungsweise allgemein-verbindlich angesehen werden.
Am Ende des Handouts ist weiterführende Literatur zu den angesprochenen Problemkreisen angegeben.
Criminal Compliance: Modul III (Interne Erhebungen: Mitarbeiterbefragungen):
1. Worin besteht der Unterschied zwischen Interne Ermittlungen und Interne Erheb-
ungen?
Es gibt keinen Unterschied inhaltlicher Natur: In der Praxis ist der Begriff Interne Ermittlungen allgegenwärtig. Er ist jedoch irreführend, weil Ermittlungen i.e.S. nur durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfspersonen (zum Beispiel Polizeibeamte) durchgeführt werden können. Ein firmeninterner Compliance Officer oder ein externer Dritter wie zum Beispiel ein Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer können keine Ermittlungen gleich einem Staatsanwalt vornehmen. Aus diesem Grunde wird der von der Bundesrechtsanwaltskammer vorgeschlagene Begriff Interne Erhebungen verwendet, um firmeninterne „Ermittlungen“ zu umschreiben, die nicht von staatlichen Behörden und Organisationen angestrengt werden. Als alternativen Begriff zu Interne Erhebungen wird von Transparency International die Formulierung Interne Untersuchungen verwendet, auch wenn damit i.E. dasselbe gemeint ist.
2. Welche Zielrichtung haben Interne Erhebungen?
Interne Erhebungen dienen aus Sicht des betroffenen Unternehmens vorrangig dazu, etwaige Haftungsrisiken präventiv zu minimieren bzw. auszuschließen. Daneben sollen sie helfen, repressiv bereits eingetretene Vorfälle aufzuklären bzw. Verdachtsmomenten effektiv nachgehen zu können. Interne Erhebungen haben meist keine bestimmte singuläre Zielrichtung: Je nach Einzelfall können verschiedenste Interessen betroffen sein, so zum Beispiel auch die Reputation des Unternehmens in der Außenwahrnehmung. Zusammengefasst können Interne Erhebungen nicht nur ein Mittel der Risikominimierung sein, sondern auch - indirekt - eine nachhaltig wirkende Public Relations-Maßnahme.
3. Gibt es eine Art „hard law“ für Interne Erhebungen?
Nein. Es gibt weder ein Verfahrensrecht, noch ein materielles Recht für die ordnungsgemäße Durchführung von Internen Erhebungen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte im Jahre 2010 Thesen zum Unternehmensanwalt veröffentlicht. Aus diesen Thesen ergeben sich jedoch keine allgemeingültigen Rechte und Pflichten. Allerdings finden Interne Erhebungen indirekt ihre Grenzen im Arbeitsrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht. Denn Interne Erhebungen müssen verhältnismäßig und ihrerseits compliant sein: Es ist demnach zum Beispiel nicht zulässig, in Verdachtsfällen mittels Täuschung und Irreführung verdächtige Mitarbeiter zu Geständnissen zu „bewegen“.
4. Welche Personen kommen für die Durchführungen von
Internen Erhebungen in
Frage?
Interne Erhebungen sollten von Personen durchgeführt werden, die kein eigenes originäres Interesse am Ausgang der Erhebungen haben und forensische Erfahrung sowie kommunikative Kompetenz besitzen. Aufgrund mangelnden Eigeninteresses lassen sich Interessenkonflikte vermeiden, welche zum Beispiel dann auftreten können, wenn die eigene Rechtsabteilung Interne Erhebungen durchführt. Forensische Erfahrung ist deswegen von großem Nutzen, weil Interne Erhebungen letztlich in Gerichtsverfahren einmünden können.
Aus diesem Grunde sollten Interne Erhebungen beweissicher für ein Gericht durchgeführt werden. Im Falle des Fehlens kommunikativer Fähigkeiten besteht eine Gefahr dafür, dass Interne Erhebungen im Sande verlaufen, weil zum Beispiel die Befragung eigener Mitarbeiter nicht optimal verläuft. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie Interne Erhebungen nicht von der Hauskanzlei durchführen lassen, die möglicherweise wegen gefestigter Vertrauensverhältnisse befangen und voreingenommen agieren könnte.
5. Welche Rechte haben die die Erhebungen durchführen Personen?
Es gibt kein allgemeinverbindliches Verfahrensrecht für die Durchführung Interner Erhebungen, vgl. Nummer 3 des FAQ. Allerdings müssen Interne Erhebungen rechtskonform und beweissicher durchgeführt werden, woraus folgt, dass diese nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen dürfen, die sich typischerweise aus dem Arbeitsrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht ergeben. Solange Interne Erhebungen mit dieser Maßgabe durchgeführt werden, haben die durchführenden Personen einen recht großen Handlungsspielraum bzw. Aktionskreis und so gesehen umfassende Rechte.
6. Welche Rechte haben die von den Erhebungen betroffenen Personen?
Auch für die von Internen Erhebungen betroffenen Personen gilt, dass ihre Rechte sich nicht aus einem bestimmten Verfahrensrecht ergeben - vgl. auch Nummer 5 des FAQ. Allerdings wird allgemein gefordert, dass es ein Recht des betroffenen Mitarbeiters ist, einen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren. Die Kosten hierfür sollten vom Unternehmen getragen werden. Hier besteht allerdings die Möglichkeit einer Rückforderungsklausel für den Fall, dass der betroffene Mitarbeiter tatsächlich schuldig im Sinne des Strafrechts ist oder zum Beispiel zivilrechtlich eine unerlaubte Handlung subjektiv vorwerfbar verursacht hat. Darüber hinaus sollte frühzeitig eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden, ob ergänzend ein Betriebsratsmitglied beigezogen wird. Allerdings ergibt sich aus § 82 II BetrVG, dass nur im Falle bestimmter Personalgespräche das Recht existiert, ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen.
7. Was bedeuten Mitarbeiterbefragungen im Zusammenhang mit Internen
Erheb-
ungen?
Mitarbeiterbefragungen sind ein Mittel Interner Erhebungen neben zum Beispiel der Durchsicht von E-Mails oder dem sog. Whistleblowing. Sie sind besonders geeignet, einen Sachverhalt in geeigneter Form aufzuklären. Eine bestimmte Verfahrensweise ist nicht vorgesehen. Damit Mitarbeiterbefragungen aber ordnungsgemäß und für ein Gericht verwertbar sind, sollten diese bestimmten Formalien und Anforderungen genügen (vgl. die nachstehenden Fragen im FAQ).
8. Welche Formalien sind bei Mitarbeiterbefragungen einzuhalten?
Grundsätzlich ist zu beachten, dass Mitarbeiterbefragungen keinen zwingenden gesetzlichen Regelungen unterliegen, was die Formalien anbelangt. Die Bundesrechtsanwaltskammer schlägt in diesem Kontext zu Recht vor, dass die Mitarbeiterbefragung schriftlich im Rahmen eines Protokolls dokumentiert werden sollte, wobei dieses den Anschein einer amtlichen Handlung vermeiden sollte.
Für die spätere Verwertbarkeit vor Gericht ist es empfehlenswert, sowohl die vorgelegten Fragen, als auch die Antworten des jeweiligen Mitarbeiters, nach Möglichkeit vollständig zu protokollieren. Wenn zum Beispiel eine Frage nicht protokolliert worden ist, ist es für einen Dritten, welcher an der Mitarbeiterbefragung nicht teilgenommen hatte, später unmöglich, zu klären, ob die Frage überhaupt zulässig war - dazu mehr unter Nummer 13. Die Bundesrechtsanwaltskammer schlägt weiter vor, dass auf Verlangen des befragten Mitarbeiters diesem Einsicht in das Protokoll zu gewähren ist und dieser es durch Unterschrift genehmigen sollte. Auch diese Vorschläge sind aus praktischer Sicht zu unterstützen.
9. Haben befragte Mitarbeiter das Recht, einen Anwalt Ihres Vertrauens hinzuziehen?
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der befragte Mitarbeiter das Recht, einen eigenen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren. Hierüber sollte dieser auch belehrt werden. Soweit tatsächlich möglich und rechtlich zulässig, sollten die Kosten für die Inanspruchnahme dieses Anwaltes vom Unternehmen getragen werden. Hier könnte sich anbieten, eine Rückforderungsklausel zu vereinbaren für den Fall, dass der betroffene Mitarbeiter zum Beispiel von einem Zivilgericht aufgrund schuldhaft begangener unerlaubter Handlung zum Schadenersatz oder von einem Strafgericht wegen Verstoßes gegen ein Strafgesetz zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wird.
10. Sollte die Mitarbeiterbefragung protokolliert werden?
Mitarbeiterbefragungen sollten in jedem Falle protokolliert werden, d.h., sowohl die vorgelegten Fragen, als auch die abgegebenen Antworten, sollten möglichst mit vollständigem Wortlaut protokolliert werden. Im Prozessrecht haben Gerichtsprotokolle eine positive wie negative Beweiskraft: Alles, was protokolliert wurde, ist auch geschehen, selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte (positive Beweiskraft). Alles, was nicht protokolliert wurde, ist auch nicht geschehen, selbst wenn dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte (negative Beweiskraft). Je mehr Sorgfalt auf die ordnungsgemäße und vollständige Erstellung des Protokolls gelegt wird, umso größere (positive wie negative) Beweiskraft wird diesem im Falle eines Prozesses von u.a. Staatsanwaltschaft und Gericht zugesprochen werden.
11. Ist der befragte Mitarbeiter verpflichtet, das Protokoll seiner Befragung zu unter-
zeichnen?
Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage noch nicht verbindlich geäußert. Aus der grundlegenden Vorschrift des § 315 BGB lässt sich ein solches Recht jedenfalls ableiten bzw. begründen. Um dem Protokoll jedoch eine größtmögliche Beweiskraft (vgl. Nummer 10) zu verleihen, empfiehlt es sich, darauf hinzuwirken, dass der befragte Mitarbeiter das Protokoll seiner Befragung unterzeichnet und die von ihm protokollierten Angaben damit quasi genehmigt. Dies setzt allerdings voraus, dass der betroffene Mitarbeiter zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, in Ruhe das Protokoll zu lesen und etwaige Änderungs- und/oder Verbesserungswünsche vorzutragen - die ihrerseits ebenfalls in neutraler Sprache protokolliert werden sollten.
12. Darf der befragte Mitarbeiter die Aushändigung einer Protokollkopie verlangen?
Diese Frage wurde bisher noch nicht von einem Gericht entschieden. Unter Anlehnung an Nummer 11 des FAQ spricht nichts dagegen, dass dem befragten Mitarbeiter nach Abschluss seiner Befragung eine Kopie des Protokolls ausgehändigt wird. Sollte es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel in einem Gerichtsverfahren, zu einer erneuten Befragung des Mitarbeiters kommen, könnte sich für diesen die zuvor erfolgte Aushändigung des Protokolls als nachteilig erweisen: Denn aus aussagepsychologischer Perspektive soll ein Zeuge vor Gericht Erinnerungen reproduzieren und selbige nicht mithilfe von zuvor Auswendiggelernten rekonstruieren. Sollte demnach der Umstand der Protokollüberlassung – aus welchen Gründen auch immer - bekannt und/oder thematisiert werden, könnte dies dazu führen, dass Verfahrensbeteiligte der Aussage dieses Zeugen einen geringeren Beweiswert zusprechen.
13. Welche Fragen dürfen einem Mitarbeiter eigentlich gestellt werden?
Diese Frage kann nur punktuell und nicht erschöpfend beantwortet werden, da es eine Fülle von Fragetypen gibt, die einem Mitarbeiter gestellt werden können. Unzulässig sind Fragen, die auf die Freiheit der Willensentschließung einwirken. Dies wären zum Beispiel solche Fragen, die Drohungen transportieren, den Mitarbeiter bewusst in die Irre führen sollen oder immer und immer wieder im selben Duktus als Wiederholungsfragen gestellt werden. In diesem Kontext sollte immer bedacht werden, dass Menschen weniger darauf reagieren, was gesagt wird, sondern vielmehr darauf, wie es formuliert wird. Der Befrager des Mitarbeiters sollte sich um eine neutrale und sachliche Haltung bemühen. Ihm sollte klar sein, dass der Mitarbeiter etwaiges Fehlverhalten nicht ihm, d.h. dem Befrager, persönlich angetan hat. Dies zu beachten verschafft die erforderliche objektive Distanzierung zum Gesamtgeschehen. Insbesondere aus diesem Grunde ist es nicht empfehlenswert, im Falle Interner Erhebungen die seit Jahren bekannte Hauskanzlei mit den möglicherweise auch persönlich bekannten Rechtsanwälten zu beauftragen.
14. Kann dem „kooperativen“ Mitarbeiter eine Amnestie in Aussicht gestellt werden?
Das In-Aussicht-Stellen eine Amnestie für den Fall, dass ein Mitarbeiter sich im Rahmen seiner Befragung äußerst „kooperativ“ geriert, ist bedenklich. Dies deswegen, weil eine Amnestie aus Sicht des Mitarbeiters zumeist dahingehend gedeutet wird, Straffreiheit garantiert zu bekommen. Diese Garantie kann jedoch nicht von einem Unternehmen bzw. Privatpersonen abgegeben werden, sondern ist allenfalls dann vorstellbar, wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen führt. Aus diesem Grunde kann eine zu Beginn der Befragung in Aussicht gestellte Amnestie durchaus als Täuschungsversuch interpretiert werden. Im Zweifelfalle sollte von dieser Maßnahme besser Abstand genommen werden.
15. Was muss der befragte Mitarbeiter keinesfalls akzeptieren?
Der befragte Mitarbeiter darf erwarten, dass die internen Erhebungen ihrerseits compliant geführt werden und nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Der Mitarbeiter darf nicht genötigt, bedroht, getäuscht, tätlich angegangen und/oder sonst bewusst in die Irre geführt werden. Das Kernproblem besteht in diesem Kontext darin, dass der Mitarbeiter grundsätzlich dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterworfen ist. Letzterer könnte - selbst aus hehren Motiven heraus - allerdings dazu übergehen, dieses Weisungsrecht im Einzelfalle nicht compliant auszuüben. Daraus folgt im Ergebnis, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben aus dem Datenschutzrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht Vorrang vor möglichen Aufklärungsinteressen des Unternehmens haben.
16. Muss der befragte Mitarbeiter über seine Rechte belehrt werden?
Konformgehend mit den Vorschlägen der Bundesrechtsanwaltskammer sollte der befragte Mitarbeiter über seine Rechte in jedem Falle belehrt werden. Hierdurch erhält die Befragung, sofern die Belehrung ordnungsgemäß protokolliert worden ist, einen höheren Beweiswert.
17. Kann der Mitarbeiter wiederholt befragt werden?
Hier bestehen erhebliche Bedenken, ob eine solche Maßnahme der Internen Erhebung zulässig ist. Die (möglicherweise gezielte) wiederholte Befragung eines Mitarbeiters kann von diesen als Druckmittel empfunden werden. Dies kann dazu führen, dass im Falle eines Gerichtsverfahrens der Mitarbeiter sich durchaus mit Erfolg darauf berufen könnte, gezielt „genötigt“ worden zu sein, eine Aussage zu tätigen, welche die Freiheit seiner Willensentschließung tangierte. Aus diesem Grunde sollten Mitarbeiterbefragungen sorgfältig vorbereitet und die jeweiligen Mitarbeiter nur einmalig befragt werden. Keine Bedenken bestehen an ergänzenden Befragungen, die sich daraus ergeben, dass sich erst nach Abschluss der Mitarbeiterbefragung neue Anhaltspunkte ergeben haben, die nicht im Rahmen der ersten Befragung thematisiert werden konnten. Auch in Gerichtsprozessen ist es völlig üblich, dass Zeugen und Sachverständige, je nach Einzelfall, ergänzend befragt werden.
18. Wer trägt die Kosten eines Anwaltes, den der befragte Mitarbeiter mandatiert?
Grundsätzlich trägt der Auftraggeber die Kosten seines Rechtsanwaltes. Allerdings sollte (vgl. Nummer 9 des FAQ) der Arbeitgeber auf seine Kosten dem Arbeitnehmer ermöglichen, einen Anwalt seines Vertrauens auszuwählen. Wie bereits ausgeführt, kann dies mit mittels einer Rückforderungsklausel bzw. eines Rückforderungsvorbehaltes geschehen. In der forensischen Praxis gewähren zum Beispiel Rechtschutzversicherungen häufig vorläufigen Deckungsschutz unter dem Vorbehalt, dass der Versicherungsnehmer nicht rechtskräftig wegen einer Straftat verurteilt wird. Eine ähnliche Formulierungsweise ist im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung sinnvoll.
19. Sind die Angaben des Mitarbeiters für ein Gericht verwertbar?
Die Frage von Verwertungsverboten ist so komplex wie sie schwierig zu beantworten ist. Sofern das Protokoll ordnungsgemäß erstellt worden ist und der Mitarbeiter nicht im Rahmen seiner Zeugenbefragung vor Gericht moniert, „unter Druck gesetzt worden zu sein“ o.ä., dürften dessen Angaben für ein Gericht grundsätzlich verwertbar sein. Hier gilt es zu beachten, dass ein etwaiges Verwertungsverbot niemals unwahre Aussagen er- fassen kann, weil diese gerade keine Pflichterfüllung des Mitarbeiters darstellen. Von einem Verwertungsverbot können demnach nur wahrhafte bzw. richtige Auskünfte betroffen sein. Hier hängt indes viel von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, ob die Aussage des Mitarbeiters für ein Gericht verwertbar ist – oder eben nicht. Allerdings hängt diese Frage oft von der Intervention eines Verteidigers ab: Sofern einer Verwertung der Mitarbeiterbefragung nicht ordnungsgemäß durch einen Verteidiger widersprochen wird, könnte diese beispielsweise selbst dann verwertet werden, obwohl sie im Grunde genommen unzulässig zustande kam.
20. Welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind denkbar?
Was Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internen Erhebungen anbelangt, sind zu- mindest einige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates vorstellbar. Bei Verwendung standardisierter Fragebögen kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 94 I BetrVG in Betracht. Im Rahmen der hier interessierenden Mitarbeiterbefragungen sollte dahingehend unterschieden werden, ob die Fragen sich nur auf Arbeitspflichten des Mitarbeiters beziehen. Dann dürfte ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 I Nr.1 BetrVG ausscheiden. Wenn die Fragen jedoch über die eigentliche Arbeitsleistungen hinausgehen, was typischerweise bei Straftaten im Betrieb und/oder sonstigen Fehlverhalten denkbar ist, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach der vorgenannten Norm zu beachten. Im Ergebnis hängt es entscheidend von den ausgewählten Erhebungsmaßnahmen des Arbeitgebers ab, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Erwägung zu ziehen ist.
Checkliste
Literatur